Luxemburg hat eines der im internationalen Vergleich besten Gesundheitssysteme, das heißt aber nicht, dass dieses nicht verbesserungs- und reformfähig wäre.
Für die CSV ist eine in allen Hinsichten perfekte und barrierefrei zugängliche, auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene Gesundheitsversorgung die grundlegende Voraussetzung einer solidarischen, allen Bürgern, ohne Unterschiede und Ausnahmen, zur Verfügung stehenden Gesellschaft. Das bedeutet, dass auch und gerade im wohlhabenden Luxemburg, wo, bei gleichzeitig zunehmenden Finanzdrucks, keine materiellen Einwände gegen eine Optimierung bestehender Leistungen und Strukturen hinnehmbar sein können, weitere Verbesserungen am System vorgenommen werden müssen.
- In den vergangenen 30 Jahren wurde, trotz großem Reformeifer im Spitalsektor, vor allem versäumt, ein klares, umfassendes und kohärentes Konzept in puncto Gesundheitsversorgung zu erarbeiten. Ein solches Konzept ist überfällig und stellt die gesundheitspolitische Priorität der CSV dar. Wir werden einen Gesundheitsplan erstellen, der auf fünf Pfeilern fußt: 1) Prävention 2) medizinische Basisversorgung, 3) Spitalplanung, 4) ambulante Versorgung, und 5) geriatrische Versorgung.
- In Anbetracht der jüngsten Diskussionen um den Spitalplan, der evidenten Dysfunktionen insbesondere im Bereich der Notaufnahme bzw. -versorgung von Patienten, weiteren Handlungsbedarfs bei der Kostenübernahme medizinischer Behandlungen, und vor allem angesichts der Herausforderungen einer wachsenden Bevölkerung in einem integrierten europäischen Umfeld im digitalen Zeitalter, ist die CSV gewillt, auf der Basis einer grundlegenden Reform des Steuerungssystems und im Rahmen eines patientenorientierten Gesamtplans, neue, zukunftsweisende Akzente zu setzen.
- Eine effiziente Behandlung ohne unzumutbare Wartezeiten und eine Betreuung in einem kohärenten, in verstärktem Maße auf ambulante Strukturen ausgerichteten System ist unsere Zielsetzung.
- Wir werden eine nationale Koordinations- und Steuerungsinstanz, eine sogenannte „Gouvernance nationale de la santé“, schaffen. In diesem Gremium sollen die vereinten Interessenvertreter, Sozialpartner, Krankenkassen und Patientenvertreter, auf der Grundlage solider Gesundheitsdaten und zuverlässiger Expertenmeinungen über fällige Investitionen und effiziente Ausgabenverteilung im Gesundheitssystem entscheiden. Dem werden wir ein Expertengremium, das „Centre national d’expertise des soins de santé“, zur Seite stellen, das unterschiedliche Funktionen ver-eint und regelmäßig bzw. auf Anfrage unabhängige wissenschaftlich auf dem neuesten Stand fundierte Empfehlungen auf dem Gebiet der Gesundheitstechnologien gibt.
- Wir werden ein „Observatoire de la santé“ schaffen, das unter strengsten Datenschutzmaßnahmen die Gesundheitsdaten, auch solche, die über die Krankenhäuser hinausgehen, systematisch, anonymisiert und in einer nationalen „Carte sanitaire“ zentral erfasst und auswertet.
- Wir wollen neue Akzente im Bereich von Prävention und Früherkennung setzen und diese in ein flächendeckendes, altersspezifisches und zielorientiertes Konzept (u.a. durch gezielte Integration in die Schulprogramme sowie eine regelmäßige Erwachsenenbildung am Arbeitsplatz) einbetten. Allgemein sollen die Lebenskompetenzen sowie die Gesundheitskompetenzen gefördert werden, um die Selbstfürsorge zu stärken und so die Lebenshygiene insgesamt zu verbessern. Dem Referenzarzt soll in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zukommen.
- Wir werden die Gesundheitsversorgung und den Notdienst im ländlichen Raum verbessern. Die Verteilung der Apotheken und deren Öfffnungszeiten in unserem Land müssen überdacht werden.
- Wir wollen das Staatslaboratorium besser aufstellen.
- Wir sorgen dafür, dass die veraltete ärztliche Nomenklatur überarbeitet und den aktuellen Standards angepasst wird.
Notaufnahmen: Wartezeiten müssen kürzer werden
Wir wollen resolut die Problematik der langen Wartezeiten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser angehen und eine Lösung herbeiführen. Jeder Patient, der sich notfallmäßig vorstellt, muss dem Ausprägungsgrad seiner Erkrankung entsprechend schnell und effizient der bestmöglichen Behandlung zugeführt werden.
- Alle Notaufnahmen des Landes müssen deshalb rund um die Uhr geöffnet haben. Die interne Organisation der Notaufnahmen sowie der anhängenden klinischen Abteilungen müssen eine zügige Diagnostik und den schnellen Behandlungsbeginn gewährleisten.
- Die Schnittstelle zwischen dem ambulanten Bereich der Notaufnahme und dem stationären Bereich der spezialisierten Versorgung ist in diesem Zusammenhang elementar. Dafür müssen im System die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt und die nötigen Anpassungen vorgenommen werden.
- Wir werden die Mittel zur Anschaffung zusätzlicher Kernspintomographen (IRM) zur Verfügung stellen, und gegebenenfalls die Öffnungszeiten verlängern, um die inakzeptabel langen Wartezeiten für entsprechende Untersuchungen zu reduzieren.
- Diagnostikzentren wie Scanner, Röntgen, MRT usw. sollen auch außerhalb einer Spitalstruktur ambulant angeboten werden können.
- Wir werden größere multidisziplinare Gemeinschaftspraxen mit regionaler Vernetzung fördern. Wir werden das Systems der „Maisons médicales“ ausbauen. Dies soll in allen Regionen zu einem flächendeckend suffizienten Angebot führen. Längere Öffnungszeiten der „Maisons médicales“ soll zur Entlastung der Notaufnahme führen. Das Referenz-arztsystem, das derzeit nur Langzeitkranken zur Verfügung steht, soll im Sinne einer Basisversorgung überall und für alle ausgebaut werden, besonders in der Präventivmedizin. Für jeden Patienten soll mit Hilfe eines klinischen Präventionsblatts (Beispiel Kanada) ein individueller Vorsorgeplan ausgearbeitet werden können.
- Wir wollen die von vielen Seiten häufig geforderte ambulante Wende im Gesundheitssystem herbeiführen. Diese ist nichts anderes als eine Auslagerung eben jener Untersuchungen und Behandlungen in dezentrale Diagnostik- und Behand-lungszentren. Diese Wende hätte mehrere Vorteile für den Patienten: für einfache diagnostische Maßnahmen wie Röntgen, CT oder MRT, aber auch einfache Endoskopien könnte er wohnortnah ein entsprechendes Angebot wahrnehmen; sogar Behandlungen wie kleinere chirurgische Eingriffe wären möglich. Der ambulante Rahmen ist persönlicher und überschaubarer und in Folge des dezentralen, flächendeckenden Angebots ist der Zugang schneller und bequemer.
Zwischenstrukturen schaffen, Krankenhäuser stärken
- Wir werden die Rolle der Krankenhäuser unter diesen Aspekten neu definieren. Sie sollen das Rückgrat der Maximalversorgung in einem koordinierten Zusammenspiel zwischen ambulant und stationär bilden: Schwerstverletztenversorgung, Intensivmedizin und die Behandlung komplexer Erkrankungen werden hier auf höchstem Niveau durchgeführt.
- Daneben sollen in den Krankenhäusern Exzellenzzentren geschaffen werden, in denen die Versorgung spezifischer Krankheitsbilder gemäß den höchsten Qualitätsansprüchen erfolgt.
Unser Ziel ist, das flächendeckend bestmögliche Gesundheitsangebot für den Patienten zu schaffen, und nicht verschiedene Spitäler in eine ungesunde Konkurrenzsituation zu bringen. Während durch diese Entwicklung im Spitalssektor der Bedarf an Akutbetten zurückgeht, wird der Bedarf an Zwischenstrukturen (für Patienten, die nicht in einem Akutbett bleiben müssen, aber zu krank sind, zuhause versorgt zu werden), Nachbehandlungsstrukturen (Rehabilitation) und Aufnahmestrukturen (zur Versorgung jener Patienten, deren Zustand nicht mehr verbesserungsfähig ist) steigen. Der Ausbau eben dieser Strukturen muss in einer engen Kooperation mit den Krankenhäusern erfolgen.
Der Collège Médical und der „Conseil supérieur pour certaines professions de santé“ müssen reformiert werden und mehr Autonomie erhalten.
Die Fortbildung für Ärzte und Gesundheitsberufe wird ausgebaut.
Psychische Gesundheit ist Voraussetzung fürs Wohlergehen
Die psychische Gesundheit ist, zusammen mit der körperlichen Gesundheit, Voraussetzung für das Wohlergehen und die Lebensqualität des Menschen in ständiger Interaktion mit seinem Umfeld. Sie stellt ein Schlüsselelement der menschlichen Gesundheit dar. Sie umfasst Aspekte wie Wohlbefinden, Zufriedenheit, Selbstbewusstsein, Beziehungsfähigkeit, Alltagsbewältigung und Arbeitsfähigkeit.
Psychische Störungen und psychosozialer Stress gehören zu den größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit. Mindestens jede vierte. Person wird einmal im Leben von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen, sozial stark benachteiligte Schichten deutlich häufiger. Psychische Krankheiten stellen fast 20 Prozent der Krankheitslast dar, Tendenz zunehmend.
Die psychosozialen Krankheiten in der Arbeitswelt nehmen an Bedeutung zu. Depressionen und Stresskrankheiten sind laut IGSS für über 23 Prozent der Langzeitausfälle, fünf Prozent der Krankenstände und 17 Prozent der Krankheitstage verantwortlich.
- Wir schlagen vor, einen nationalen Aktionsplan für die Erhaltung und Förderung psychischer Gesundheit zu ent-wickeln. Dieser sollte Teil eines nationalen Gesundheitsplans sein.
- Er bedarf einer sektorübergreifenden Steuerung durch einen Lenkungsausschuss (Politikbereiche: Gesundheit, soziale Sicherheit, Familie, Bildung, Justiz, Arbeit, Wohnungswesen, nachhaltige Entwicklung und Umwelt) mit zusammenhängender integrativer und partizipativer Herangehensweise.
Bereits bestehende oder zukünftige Aktionspläne sollten dabei berücksichtigt werden (Förderung der affektiven und sexuellen Gesundheit, „Gesond iessen, méi bewegen“, Suizidprävention, Gewaltprävention in der Familie und in der Schule, nationaler Plan gegen Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus, gegen schulische Belästigung und Cyber-Bullying, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Alkohol, Tabak, Drogenbekämpfung und Sucht, Hepatitis, Aids, Cyberkrankheiten, Nationale Strategie gegen Obdachlosigkeit und wohnungsbedingte Exklusion, Demenz).
Allgemein sollten die Lebenskompetenzen sowie die Gesundheitskompetenzen gefördert werden, bei bestmöglicher Schulbildung, um die Selbstfürsorge (Salutotherapie) zu stärken und so die Lebenshygiene insgesamt zu verbessern.
- Absolute Priorität muss dem Handlungsfeld (frühe) Kindheit und Jugend zustehen.
- Wir werden die Präventionsmedizin altersspezifisch und zielorientiert ausrichten. Stressprävention muss verstärkt stattfinden. Psychiatrie muss auch eine größere präventive Rolle spielen. Besonders in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese kann und darf nicht in die Rolle des „Feuerlöschers“ gedrängt werden und hauptsächlich klinikorientiert sein. Sie soll als Familienpsychiatrie verstanden werden und mit, im Familienbereich und in weiteren Bereichen, angesiedelten Maßnahmen vernetzt werden.
- Ein intaktes soziales Netzwerk als Basis des Wohlbefindens soll gefördert werden. Die CSV will die psychiatrische Versorgung verbessern und eine lückenlose Behandlungskette der Patienten gewährleisten. In der Suchtbekämpfung stehen wir für eine koordinierte Politik, die auch neuen Suchtformen Rechnung trägt.
- Die CSV hat das Gesetz zur medizinischen Anwendung von Cannabis als adjuvante Therapie bei verschiedenen Krankheiten aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für diese Art der Therapie übernehmen.
Das Gesetz muss durch eine anonymisierte Begleitstudie auf Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit überwacht werden, gegebenenfalls werden Anpassungen im Indikationskatalog durchgeführt werden.
- Die CSV lehnt unter den heutigen Umständen die Legalisierung der rekreationellen Anwendung von Cannabis ab, da diese aufgrund der Gesetzeslage in unseren Nachbarländern auf unüberwindbare praktische Hindernisse stoßen würde. Wir wären dem Drogentourismus ausgesetzt. Wir befürworten jedoch eine Bestandsaufnahme der heutigen Situation in Luxemburg und werden einer weiteren Diskussion offen gegenüber stehen.
Fachkundiges Personal als Garant für hohe Qualität und vernetzte Betreuung
Grundvoraussetzung für eine qualitativ hohe Betreuung ist eine an die neuen Anforderungen angepasste Aus- und obligatorische Weiterbildung der pflegenden Fachkräfte.
Die Attraktivität bestehender Berufe soll durch besondere Anreize gesteigert werden (z.B. psychiatrischer Krankenpfleger, Geriater, Fachärzte für Psychosomatik, Palliativmediziner, Arbeitsmediziner) und neue benötigte Berufe (z.B. geriatrischer Krankenpfleger) sollten ermöglicht werden. Wir werden zusätzliche Ausbildungsplätze für die Basispflegeberufe, wie Krankenpflegehelfer („Aide-soignant“) usw., schaffen, um den Mangel an qualifizierten Pflegekräften zu beheben. Wir werden junge Leute frühzeitig auf diese Berufe sensibilisieren.
Bestimmte komplementärtherapeutische Berufe sollten innerhalb der Gesundheitsberufe reglementiert werden. Dies im Einklang mit den Angeboten und beruflichen Anforderungen unserer Nachbarländer.
„HealthHub“ bringt neue Dynamik
Wir wollen Luxemburg als internationalen „HealthHub“ ausbauen. Die Schnittstellen zwischen Forschungs- und Ausbildungsstrukturen und klinischer Medizin werden auf diese Weise optimiert, so dass die Ergebnisse der Forschung schneller und besser den Patienten zu Gute kommen und Fragestellungen des klinischen Alltags schneller und besser erforscht werden können.
Der Bereich der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung wird durch die enge Anbindung an Forschung, Lehre und Ausbildung einen deutlichen Zugewinn an Innovation und Qualität, nicht zuletzt durch den permanenten Austausch und Vergleich auf internationaler Ebene, erfahren, der unmittelbar wiederum den Patienten zu Gute -kommt. In diesem Umfeld wird sich eine Dynamik entwickeln, die Luxemburg auf Jahrzehnte hin zu einer international bekannten und anerkannten Plattform für alle Fragen von Medizin und Gesundheitsversorgung positionieren wird.
Forschung muss in einen juristisch und ethisch verbindlichen Rahmen gesetzt werden.