Kapitel 2 – Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung: Innovation als Standortvorteil

2.6. Arbeitsmarkt

Die Zahl der Beschäftigten auf unserem Arbeitsmarkt ist so hoch wie nie zuvor. Es arbeiten im Großherzogtum mehr Menschen als es Luxemburger gibt. Sie alle tragen wesentlich zum gesamten Wohlstand unseres Landes bei. Ohne Immigration und Grenzgänger würde unser Arbeitsmarkt zusammenbrechen.

Gleichzeitig gelingt es uns jedoch nicht, alle Einwohner – Luxemburger und Nicht-Luxemburger – auf unserem Arbeitsmarkt zu integrieren. Nicht die Grenzgänger sind daran schuld, sondern die ungenügende oder die nicht von unserem Arbeitsmarkt erforderte berufliche Qualifikation der einheimischen Arbeitssuchenden. Hier gilt es, verstärkt auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes hin zu qualifizieren, aber auch über die Herausforderungen unseres Arbeitsmarktes zu informieren.

  • Deshalb ist eine nationale Strategie der Beratung und Information dringend von Nöten.
  • Die neu geschaffene „Maison de l‘orientation“ muss alle staatlichen Beratungsstrukturen beherbergen – schulische, berufliche und universitäre. Auch muss garantiert werden, dass Arbeits- und Wirtschaftsministerium hier in den Prozess der Gestaltung und Ausrichtung der „Maison de l’orientation“ eingebunden werden. Dies kann und darf nicht die alleinige Kompetenz des Bildungsministeriums sein.
  • Der unbefristete Arbeitsvertrag garantiert soziale Rechte und gibt Sicherheit für die individuelle Lebensplanung. Die CSV gewährleistet, dass der „Contrat à durée indéterminée“ (CDI) weiter die Regel bleibt.

Für die regelmäßige Anpassung des Mindestlohns

Der Mindestlohn muss vor Armut schützen und ein würdiges Leben ermöglichen. Es geht um den Wert und die Würde von Arbeit.

  • Die CSV will eine Erhöhung des Mindestlohns, vor allem im Nettobereich. Wir setzen uns für die regelmäßige Anpassung des Mindestlohns an die allgemeine Lohnentwicklung ein. Mindestlohnpolitik muss ökonomischen Realitäten sowie den Lebenshaltungskosten angepasst sein.

Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an qualifiziertem Personal mangelt.

  • Wer Vollbeschäftigung anstrebt, muss in die qualitative Aus- und Weiterbildung investieren. Wir werden gezielt neue Aus- und Weiterbildungsprogramme entwickeln und umsetzen.
  • Die CSV will ein nationales Konzept für lebenslanges Lernen umsetzen und dies in Zusammenarbeit mit den Berufskammern, den Berufsverbänden, den Betrieben und den Weiterbildungsanbietern.
  • Die Angebote beim lebenslangen Lernen müssen mit einem staatlichen Qualitätslabel belegt und finanziell gefördert werden. Die staatliche Förderung der betrieblichen Weiterbildung muss gezielter eingesetzt werden. Dafür muss diese Gesetzgebung verbessert werden. Die Finanzierung muss wieder sichergestellt werden.
  • Das duale Ausbildungssystem soll gestärkt und ausgebaut werden. Ausgehend davon, dass eine enge Verzahnung zwischen Schule und Arbeitswelt eine gute Integration auf den Arbeitsmarkt ermöglicht, sollen Techniker- und BTS-Ausbildungen verstärkt dual angeboten werden.

In diesem Bereich muss der Staat aber auch seiner Rolle als Ausbildungsbetrieb endlich gerecht werden und Ausbildungsstellen in Ministerien, Verwaltungen und den „Établissements publics“ zur Verfügung stellen.

Die bilateralen Bestrebungen Luxemburgs in der Großregion, um über die Grenzen hinweg auszubilden, sollen verstärkt und ausgebaut werden.

Lebensarbeitszeit neu organisieren

Familien sollen mehr gemeinsame Zeit haben. Deshalb ist es wichtig, eine neue Lebensarbeitszeitorganisation zu schaffen.

  • Die Familien sollen ihr Leben frei gestalten können. Wir setzen uns dafür ein, dass Familienleben und Beruf besser in Einklang gebracht werden können. Durch einen Anspruch auf eine neue Arbeitszeitgestaltung muss es möglich werden, flexible Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, mit denen die Familien mehr Zeit miteinander verbringen können. Die CSV schafft einen geregelten Rahmen für den „Télétravail“ und die Möglichkeiten, einen Teil seiner Arbeitszeit zuhause zu leisten (Stichwort „Home Office“).
  • Arbeitszeitkonten gehören zu einer modernen Arbeitszeitorganisation, die sich über das gesamte Erwerbsleben erstreckt. Die CSV wird sich für die Einführung von Arbeitszeitkonten im Privatsektor einsetzen und einen angepassten Rahmen schaffen, innerhalb dessen die Sozialpartner zu tragfähigen Vereinbarungen gelangen können.

Für Arbeitnehmer, die sich für Teilzeit entschieden haben, soll auf der Basis von klaren Regeln ein Rückkehrvorrecht auf die vorherige Arbeitszeit geschaffen werden.

Es gilt auch, die sinnvolle Beschäftigung der Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszubauen.

  • Die CSV wird verstärkt darauf drängen, dass die staatliche Quote der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung eingehalten wird.

Auch müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass Jugendliche mit Behinderungen sich qualifizieren können. Hier müssen entsprechende Möglichkeiten und Strukturen geschaffen werden.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt stellt uns vor große Herausforderungen. Sie bietet aber auch Chancen für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

  • Neue Technologien sollen angewandt werden, um das Leben der Menschen zu verbessern. Es gilt, die Digitalisierung in den Dienst des Menschen zu stellen (siehe Kapitel Digitalisierung).

Die Digitalisierung der Arbeitswelt bringt große Umbrüche bei den Berufsbildern sowie bei den Anforderungen an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Arbeiten wird in Zukunft mobiler und flexibler werden. Viele Menschen machen sich Sorgen um Jobverlust und Veränderungen am Arbeitsplatz. Weder wollen wir dem technischen Wandel blind folgen, noch wollen wir ihn verhindern; stattdessen wollen wir ihn aktiv gestalten mit Maß und Mitte.

  • Im Einklang mit unserem Wunsch nach einer angemessenen Work-Life-Balance, die Karriere und Familie vereint, soll auch das Recht auf „Unerreichbarkeit“, die Möglichkeit, von der Arbeit abschalten zu können, unterstützt werden. Eine Anpassung des geltenden Regelwerkes soll dem Arbeits- und Sozialschutz des Arbeitnehmers und den Imperativen der digitalen Arbeitswelt Rechnung tragen.
  • Die CSV setzt sich für ein neues Gesetz zur flexiblen Regelung der Ladenöffnungszeiten ein. Das Gesetz soll die Grundprinzipien festhalten und einen Rahmen für Kollektivverträge bieten, um flexibel und passgenau die unterschiedlichen Erwartungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf einen Nenner zu bringen.
  • Es werden dezentral zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Co-Working-Spaces werden für verschiedene Verwaltungen dezentral organisiert.

Bekenntnis zum Luxemburger Modell des Dialogs

Es gilt, das luxemburgische Sozialmodell auszubauen.

  • Der Sozialdialog muss dynamisiert werden. Das heutige Modell ist seit Jahrzehnten der Garant des sozialen Friedens im Großherzogtum und somit der Garant des wirtschaftlichen Fortschritts.

Die nationalen Gremien wie die Tripartite und der Wirtschafts- und Sozialrat sollen nicht nur erhalten werden; ihre Aufgaben müssen vor allem der Realität angepasst werden.

  • Im Wirtschafts- und Sozialrat soll ein permanenter Dialog zwischen den Sozialpartnern stattfinden.
  • Die Tripartite soll als Kriseninstrument dienen und die Regierung muss einen regelmäßigen und offenen bilateralen Dialog mit den Sozialpartnern führen.

Die Kollektivvertragsgesetzgebung ist und bleibt ein Grundpfeiler des luxemburgischen Sozialmodells. Die Bindung an Kollektivverträge sichert Teilhabe und faire Entlohnung.

  • Die CSV wird das Kollektivvertragsgesetz von 2004 überarbeiten und an die veränderte Arbeitswelt anpassen.
  • In den Betrieben gilt es, das reformierte Gesetz über die Personaldelegationen zu überarbeiten – u.a so, dass die Wahlresultate bei der Freistellung berücksichtigt werden, wie das beim politischen Urlaub in den Gemeinden der Fall ist.
  • In der Beschäftigungspolitik gilt es, die Lohnnebenkosten so zu gestalten, dass zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Die Gesetze über den „Maintien dans l’emploi “ wird analysiert und gegebenenfalls angepasst.
  • Der Schutz von Arbeitnehmern im Fall eines Konkurses muss verbessert werden. Die CSV will die betreffenden Be-stimmungen in den Sozialplänen ausbauen.
  • Es darf nicht sein, dass Langzeitkranke im Privatsektor befürchten müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und sozial abzustürzen. Es gilt, die aktuellen Bestimmungen, insbesondere die willkürliche 78-Wochenregelung im Krankheitsfall, zu überarbeiten. Der Langzeitkranke soll sich keine Sorgen über eine automatische Kündigung oder einen Einkommensverlust machen müssen, falls er diese Grenze erreicht, sondern auf spezifisch angelegte Ausnahmeregelungen zurückgreifen können. Hier ist aber auch eine Reform der einzelnen medizinischen Kontrollen bei Krankenkassen, Pensionskassen und Arbeitsmedizin dringend notwendig. Die Einführung einer Schlichtungsstelle bei kontradiktorischen Entscheidungen der einzelnen Träger ist unbedingt vorzusehen. Die Berufe des Arbeitsmediziners und des Betriebskrankenpflegers sollen attraktiver und effizienter gestaltet werden.
  • Wir werden das Gesetz über das so genannte „Reclassement“ neu gestalten. Wer aus gesundheitlichen Gründen seine gewohnte berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, darf kein zweites Mal bestraft werden. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen müssen gezielt nachgebessert werden, um Benachteiligungen von Arbeitnehmern im „Reclassement“ zu beseitigen. Auch hier kommt der Reform der medizinischen Kontrollen im Sinne eines präventiveren Ansatzes, der flexible Arbeitsbedingungen während der Genesungsphase ermöglicht, eine große Bedeutung zu. Die Arbeitsmarktverwaltung (ADEM) muss mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden, um eine bessere Betreuung der Betroffenen zu gewährleisten.

Die CSV wird sicherstellen, dass die Löhne und Altersbezüge weiterhin mit den Lebenshaltungskosten Schritt halten.

  • Die Indexierung der Löhne und Altersbezüge bleibt ein fester Bestandteil unserer Politik.

Für eine Humanisierung der Arbeitswelt

Benötigt wird eine Arbeitsmarktanalyse betreffend die Qualität der Arbeitsplätze in Luxemburg. Gemeinsam mit dem Wohlbefinden am Arbeitsplatz („Bien-être au travail“) gilt es, die Arbeitsbedingungen in Luxemburg durch eine ent-sprechende Betriebskultur und gegebenenfalls einen rechtlichen Rahmen zur Prävention und psychosozialen Risikobewertung am Arbeitsplatz besser zu gestalten.

Auch die Vereinbarung über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, Mobbing eingeschlossen, soll hier miteinfließen.

Stress und Druck auf dem Arbeitsplatz führen zu langen Abwesenheitsperioden, Mobbing, Bore- und Burn-Out. Hier gilt es, massiv in das „Bien-être au travail“ und die Früherkennung zu investieren, als vorbeugende Maßnahme.

  • Die CSV will die Humanisierung der Arbeitswelt fördern.
  • Wir wollen die Arbeitsbedingungen so verbessern, dass gesunde und motivierte Arbeitnehmer ein erfülltes Berufsleben haben.

Betreffend die Arbeitslosigkeit, gilt es, alle Maßnahmen auf den Prüfstand zu nehmen und sie so anzupassen, dass mehr Arbeitssuchende in eine Beschäftigung gelangen. Qualifizierung, Weiterbildung und Umschulung sind hier die Schlagwörter und dafür müssen die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Der Arbeitsmarkt ist in einem steten Wandel. Kaum eine andere Verwaltung ist, so wie die ADEM, mit ständigen Veränderungen konfrontiert.

  • Die ADEM muss über die notwendigen personellen, finanziellen und technischen Ressourcen verfügen, um auf Veränderungen am Arbeitsmarkt nicht nur zu reagieren, sondern ihnen vorzugreifen.

Bekämpfung der Jugendabeitslosigkeit ist Priorität

Beim Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit muss deren Vermeidung im Mittelpunkt stehen. Dies werden wir durch eine Stärkung respektive Ausweitung der dualen Berufsausbildung erreichen.

Die Zahl der Schulabbrecher, d.h. der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, soll gesenkt werden. Die Bemühungen, um ihnen eine qualifizierte Ausbildung anzubieten, werden verstärkt.

  • Die CSV will Betriebspraktika fördern, wobei darauf zu achten ist, dass junge Menschen nicht als billige Arbeitskraft missbraucht werden.

Mit zielorientierten Maßnahmen soll die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt werden:

  • Das Gesetz gegen die Langzeitarbeitslosigkeit von Juli 2017 wird evaluiert. Der Anwendungsbereich wird gegebenenfalls über staatliche, kommunale und gemeinnützige Vereinigungen hinaus erweitert.

Die CSV wird darauf hinwirken, dass ungerechtfertigte Vorbehalte gegenüber Langzeitarbeitslosen und älteren Beschäftigungssuchenden abgebaut werden.

Anerkannte Flüchtlinge müssen dabei unterstützt werden, eine Arbeit zu finden.

Information und Beratung über die Arbeitswelt und die Berufe ist auch ein Mittel zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Hier spielt die „Maison de l’orientation“ eine zentrale Rolle. Über das Berufsbild eines Berufsberaters muss nachgedacht werden.

  • Die CSV will alle die Beschäftigungsmaßnahmen betreffenden Gesetze überprüfen, ihre Effektivität evaluieren und dann überarbeiten.
  • Eine Reform der Gewerbeinspektion drängt sich auf. Das Thema der Arbeitssicherheit, die Kontrollen bezüglich der Einhaltung der Respektierung der Kollektivverträge sowie der Arbeits- und Sozialgesetze und die Bekämpfung der Diskriminierung und der illegalen Beschäftigung muss dabei höchste Priorität genießen.
  • Der „Code du Travail“ wird überarbeitet.